Die Geschichte unserer Kirchengemeinde

Wer seine Zeit verstehen und sich der Zukunft nicht wehrlos ausliefern will, muss wissen woher er kommt, und woher die Anderen kommen.
Geschichte liegt nicht tot und abgestorben hinter uns, sondern es gab ein Leben vor uns.
Peter Arens

Die Anfänge bis 1954

Schon früh gab es in Balve evangelische Christen, die in einer klassischen Diaspora *1) im ehemaligen kurkölnischen Sauerland lebten.

1667

Nach Angaben aus den Unterlagen der kath. Kirchengemeinde St. Blasius Balve leben im Bezirk Balve 3 Protestanten.

  • In Eisborn Herr von Haxthausen mit Frau,
  • In Garbeck Herr von Mengede.

1831

Nach dem Taufregister der evangelischen Kirchengemeinde Deilinghofen lässt der Balver Bürgermeister Christian Friedrich Wulff seine Tochter Emilie Wilhelmine durch den Pfarrer Basse taufen.

1880

Pastor Johannes Josephson aus Deilinghofen erteilt in Balve ab 1880 erste Bibelstunden in Balve.

1910

Mit Beginn des Hönnetalbahnbaus lassen sich vermehrt Arbeiter, Gewerbetreibende und Beamte um Balve nieder. Daher steigt die Zahl der evangelischen Bürger stark an.

1920

Ab Anfang der zwanziger Jahre feiern die Balver evangelischen Christen alle drei Wochen ihre Gottesdienste im Gasthof Krüdewagen in Balve.

1925  

Die ev. Christen in Balve können einem Raum in der landwirtschaftlichen Schule nutzen. Gelegentlich feiern sie aber auch einen Feldgottesdienst auf dem Schieberg. Die evangelischen Vereine leben in der Zeit auch auf. Mangels geeigneter Räumlichkeiten treffen sie sich regelmäßig im Wartesaal des Balver Bahnhofs.

Die evangelischen Schulkinder werden von Lehrer Auert aus Neuenrade in Religion unterrichtet. Den kirchlichen Unterricht erhalten sie in Neuenrade, da der Weg dorthin kürzer ist, als nach Deilinghofen.

Bis 1955 werden sie und die evangelischen Bewohner der Dörfer Beckum, Volkringhausen und Eisborn von der Kirchengemeinde Deilinghofen mit betreut. Nach dem Zweiten Weltkrieg werden auch Garbeck, Langenholthausen und Mellen diesem Verbund angegliedert.

1931

Das Presbyterium Deilinghofen stellt bei der Regierung in Arnsberg einen Bauantrag für eine evangelische Schule in Balve. Dieser wird jedoch abschlägig beschieden.

*1)Der Begriff Diaspora (griechisch diaspora = Verstreutheit) bezeichnet seit dem späten 19. Jahrhundert hauptsächlich religiöse oder ethnische Gruppen, die ihre traditionelle Heimat verlassen haben und unter Andersdenkenden lebend über weite Teile der Welt verstreut sind. Er kann aber auch einfach eine Minderheitssituation vor allem einer Religionsgruppe bezeichnen.
Ursprünglich wurden mit „Diaspora“ geschlossene Siedlungen der Juden bezeichnet, die nach dem Untergang des Reiches Juda 586 v. Chr. zunächst im Babylonischen Exil entstanden und sich in den folgenden Jahrhunderten von hier und von Palästina aus ausbreiteten, die jüdische Diaspora. Seit der frühen Neuzeit wird der Begriff auch auf konfessionelle Minderheiten des Christentums bezogen.
Das Wort ist eine Prägung der Septuaginta Deut. 28, 64 u. ö. „du sollst eine Diaspora sein in allen Reichen auf Erden“, wobei diaspora als Euphemismus für „Entsetzen“ oder „Schande“ etc. gewählt wurde.

Quelle: Wikipedia

Endlich, unsere Kirche

1933

Die Kreissynode Iserlohn kann nach langen Verhandlungen ein Grundstück für einen Kirchenneubau am Ortsausgang Balve von der Familie Eichhoff erwerben.
Am 31. Mai. 1933 wird der Grundstein für das Gotteshaus gelegt.

Auf dem Bild ist das noch unbebaute Grundstück der Familie Allhoff. Heute hat sich dort ALDI niedergelassen. Im Hintergrund das Wohnhaus der Gärtnerei Fehling. In der oberen Bildmitte ist der Allhofsche Kalksteinbruch an der Höhle, der zu der Zeit noch in Betrieb war, zu sehen.

Unsere Kirche, die auch heute nach außen hin noch den Charakter eines Dorfkirchleins hat wird von dem Architekten Simon geplant. Seine Ideen gehen jedoch noch weiter. Es soll nach und nach ein evangelisches Gemeindezentrum für Balve entstehen.

Wie bei sakralen Bauten üblich, ist die Kirche nach Osten hin, dem aufgehenden Licht des neuen Tag entgegenstrebend, ausgerichtet. An den schlanken Turm schließt sich links die Küsterwohnung (heute Gemeindebüro) mit Toilettenanlage. Rechts ist der eigentliche Kirchenraum, der als Multifunktionsraum gedacht und aufgeteilt ist, angeschlossen.

Im vorderen Bereich ist auf einer Empore der Altar-, bzw. Chorraum, der außerhalb der Gottesdienste durch einen Vorhang dem Blick der Besucher entzogen ist. Ein Altarfenster ist damals nicht vorhanden. Der Architekt plant, zu einem späteren Zeitpunkt noch einen Konfirmandenraum anzubauen.

Neben dem Chorraum befindet sich die Sakristei. Und der eigentliche liturgische Raum, in den ein ca. 37 m² großer Vereinssaal integriert war, schliesst sich vor Kopf an. Der kleine Saal ist durch eine Rolladenwand abgetrennt und wird als Gemeindesaal genutzt. Durch Öffnen der Rolladenwand hat die Gemeinde die Möglichkeit den Gottesdienstraum zu vergrößern.

Über dem kleinen Gemeindesaal ist eine Empore, die von den Gottesdienstbesuchern genutzt werden kann.So können bis zu 200 Gläubige die Gottesdienste besuchen.

Das Bauwerk wird mit Unterstützung des Gustav-Adolf-Werkes sehr zügig gebaut. Der Kostenplann wurde eingehalten, wie die Presse mitteilte. Durch den Einsatz vieler Handwerker wird das Gotteshaus noch im gleichen Jahr fertiggestellt, so dass sie am 3. Adventssonntag 1933 die Weihe erfolgt, der u.a. der Präses der ev. Kirche D. Koch beiwohnt. Neben dem Deilinghofener Pfarrer Gobrecht haben sich das Ehepaar Eichhoff und Herr Peterjohann aus Balve, um den Bau verdient gemacht.

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Am 18. Dezember 1933 veröffentlicht die "Hönnezeitung" als Lokalzeitung für Balve:


Einweihung des evangelischen Gotteshauses in Balve

Gestern Nachmittag gegen 3 Uhr versammelten sich in der Landwirtschaftsschule die Gemeindemitglieder und Ehrengäste, sowie zahlreiche Mitglieder der Muttergemeinde Deilinghofen. Dort nahm Pastor Gobrecht mit einigen Worten Abschied von der Stätte, die den Balver Evangelischen lange Jahre Gastfreundschaft gewährt habe zur Abhaltung ihrer Gottesdienste ...

Dann ging’s in geschlossenem Zuge unter Vorantritt des Deilighofener Posaunenchors zum neuen Gemeindehause mit Kirchensaal ...

Vor dem schmucken Gebäude übergab Bauleiter und Architekt Simon mit einigen passenden Worten die Schlüssel der Gemeinde ... seit langen Jahren hegte die evangelische Bevölkerung in Balve den Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus ...

Die feierliche Grundsteinlegung fand am 31. Mai 1933 statt. Das Gebäude ist nun vollständig fertiggestellt. [Es] enthält außer dem eigentlichen Kirchensaal, einen 37,2 qm großen Vereinssaal, der nach Öffnen der Rolladenwand zur Vergrößerung des Kirchensaales dient. Über demselben ist eine Empore angebracht, welche ebenfalls besonders als kleiner Saal benutzt werden kann. Im ganzen können etwa 200 Mann am Gottesdienst teilnehmen. Am Kirchensaal ist eine Altarnische und eine Sakristei angebracht. Bei weltlichen Gemeindeveranstaltungen kann die Altarnische durch einen Vorhang abgeschlossen werden. Außerdem ist an dem Hause noch eine Wohnung für den Küster und eine Toilettenanlage angebaut. Das Äußere des Gebäudes hat infolge des schlanken Turmes den Charakter einer freundlichen Dorfkirche [!]. Das schöne Schieferdach, der helle Rauputz und die hohen Kirchenfenster wirken besonders hervor. Die Arbeiten wurden auf möglichst viele Handwerker verteilt und sind sehr solide und preiswert ausgeführt. Der Kostenanschlag konnte genau eingehalten werden.

Quelle: Archiv Zimmermanndruck Balve

1937

Pfarrer i. R. Karl zur Nieden aus Garbeck betreute die Balver evangelische Gemeinde.

1938

Im Einzugsbereich der Gemeinde im Amt Balve sind etwa 300 evangelische Christen registriert, von denen rund 170 in der Stadt Balve leben.
Deutschland hatte den 2. Weltkrieg verloren. Die sogenannten Ostgebiete mussten abgegeben werden. Viele Flüchtlinge und Vertriebene aus Schlesien, Ostpreußen und Pommern, aber auch Evakuierte aus den zerbombten Großstädten wurden Balve zugewiesen, sodass die Zahl der ev. Christen in der Stadt Balve und den umliegenden Dörfern des Amtes erneut stark anstiegen.

1946

Die stark angewachsene Gemeinde wird von Pfarrer Walter Grabsch, der ebenfalls aus den okkupierten Ostgebieten vertrieben wurde, betreut. Pfarrer Grabsch ist der Gemeinde Deilinghofen zugeteilt und für Balve zuständig. Ihm gelingt es, aus den vielen Landsmannschaften eine geschlossene Gemeinde zu bilden.

1946

Durch diesen starken Flüchtlingszustrom sind in Balve über 100 evangelische Schüler zu betreuen. Dies hat zur Folge, dass neben der katholischen Volksschule im Herbst eine Gemeinschaftsschule für 95 Kinder eingerichtet wirde, die jedoch nur evangelische Kindern besuchen.

Dank Pfarrer Grabsch kann dann durch eine Eingabe an den Kultusminister eine eigenständige evangelischen Volksschule in Balve etabliert werden.

1949

Frau Leuschner übernimmt das Küsteramt von Frau Berta Weiß.

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Die der Stadt Balve und den umliegenden Dörfern zugewiesenen Flüchtlinge leben zum großen Teil bis Weit in die fünfziger Jahre hinein in Baracken und Behelfsunterkünften. Sie werden unter anderem vom Hilfswerk der evangelischen Kirche unterstützt. So ist es auch in Balve üblich, dass die Lebensmittel- und Kleidersendungen des Hilfswerks über das Pfarramt und später die Gemeindeschwester an diese besonders hilfsbedürftigen Familien weitergegeben werden.

Eine neue Glocke kommt.

1950

Die fünfziger Jahre sind das Jahrzehnt der Umbrüche und Neuerungen.
Die Deutschen sind hauptsächlich mit dem Wiederaufbau nach dem verlorenen Weltkrieg beschäftigt. Davon profitiert auch unsere Gemeinde. Sie kann von der ev. Kirchengemeinde Witten - Heven die Bronzeglocke von 1925 übernehmen. Diese wird am 12. Mai  geweiht. Die alte kleine Balver "Strohglocke" wird der Missionsgemeinde auf der Insel Nias (westlich von Sumatra) überlassen.
Im gleichen Jahr übernimmt der Kantor Wolfgang Rodatz die Unterweisung der evangelischen Kinder und wird Organist und Kirchenchorleiter.

(Zur Geschichte der Glocke)

Die erste ev. Volksschule in Balve

1951

Am 16. Januar geht ein lang gehegter Wunsch unserer Gemeinde in Erfüllung. Im “Röhrenschen” Haus, der alten Balver Schule von 1780, wird eine konfesssionsgebundene evangelische Volksschule eingerichtet. (Heute Standort Musikheim an der St. Johannesstr.). In dem Gebäude sind im rechten Klassenraum das 3. und 4. Schuljahr und im linken Raum das 5. - 8. Schuljahr untergebracht.In dem Gebäude der kath. Volksschule wird in einer Klasse unter dem Dach (Richtung Waltermann) die evangelischen Schüler des 1. und 2. Schuljahres unterrichtet.

 

1952 verlässt Pfarrer Grabsch Balve <//span><//span></ span=""><//> 

 

Im gleichen Jahr wird der Dahler Diakon Heinz Sommer der neue Pfarrer von Balve und somit Nachfolger von Pfarrer Grabsch.

1953

Im Januar findet die erste Altenfeier in der Kirche statt. Später dann jährlich an einem Adventssonntag in einer Gaststätte und letztlich dann im Gemeindehaus.

Im September beginnt der Bau des Pfarrhaus neben der Kirche, und im November wird die evangelische Gemeindebücherei eingerichtet.

1954

Rudolf Markert wird Organist und Chorleiter.

Frl. Elfriede Busch betreut als Katechetin die evangelischen Schulkinder auf den Dörfern.

Im Juli kann Pfarrer Sommer mit seiner Familie in das neue Pfarrhaus neben der Kirche einziehen.

Gemeindeschwester Grete

Am 12. September 1954 nimmt die Gemeindeschwester Grete Schreiber (später eine Institution in Balve) ihren Dienst auf, und der neugegründete Posaunenchor tritt unter der Leitung von Herrn Hentrei erstmals auf.

 

Quellen

  • Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Balve
  • Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum 1980
  • *2) Wikipedia, St Blasius Balve, Geschichte

Autor: Rüdiger Lenk, Balve

Bildnachweis: (*1) Rüdiger Lenk; (*2) evangelische Kirchengemeinde Balve