14/01/2025 0 Kommentare
„Prüfet alles und behaltet das Gute!“ – Grußwort des Superintendenten
„Prüfet alles und behaltet das Gute!“ – Grußwort des Superintendenten
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„Prüfet alles und behaltet das Gute!“ – Grußwort des Superintendenten
„Prüfet alles und behaltet das Gute!“
Jahreslosung 2025 | 1. Thessalonicher 5,21
Liebe Schwestern und Brüder,
ich kann mich noch gut daran erinnern: Als Kind wollte ich einen Regenbogen fangen. Ich schlich mich erst an, um dann auf ihn zuzurennen. Ich hatte keine Chance. Er war immer schneller als ich und hielt sich, wie ein scheues Tier, auf Distanz. Später habe ich begriffen, dass der Regenbogen eine optische Erscheinung ist, die man nicht mit Händen greifen kann. Das Sonnenlicht wird durch die unzähligen Regentropfen in seine Spektralfarben gebrochen und reflektiert. Die Bogenform ergibt sich aus der festen Winkelbeziehung von Sonne, Wassertropfen und Betrachter. Egal wie weit ich mich dem Regenbogen als Kind zu nähern versuchte, er blieb für mich unerreichbar, so als wolle er das Geheimnis seiner Buntheit für sich behalten.
Mit der Zukunft verhält es sich so ähnlich. So gewissenhaft wir uns mit ihr auseinandersetzen und so präzise wir einzelne Entwicklungen vorherzusagen versuchen, die Zukunft selbst lässt sich nicht fassen. Das neue Jahr liegt vor uns. Was es bringt und was es uns abverlangen wird – beides bleibt ungewiss. Und manchmal verändert erst der Rückblick im Nachhinein die Perspektive auf das, was war, und wie das, was war, wirklich zu bewerten ist.
Paulus empfiehlt: Prüfet alles und behaltet das Gute. Das umfasst meinen Rückblick, die Momentaufnahmen meines Lebens und auch meine Sehnsucht, vorausschauen und vorausplanen zu wollen. Alles genau prüfen! Das braucht Zeit. Das erfordert Gründlichkeit. Manchmal benötigt es die Fähigkeit, mich selbst kritisch zu hinterfragen. Es setzt Lernfähigkeit voraus und Offenheit, vielleicht sogar auch die Vorfreude auf Überraschendes. Bei dem Versuch, etwas sorgfältig zu betrachten, kann es nützlich sein, Hilfsmittel hinzuzuziehen. Das Urteil und der Blick anderer können mir helfen, mir eine eigene, fundierte Meinung zu bilden. Alles genau prüfen! Das kann ganz schön anstrengend werden. Aber lohnend. Notwendig ist es allemal. Das war es schon immer.
Was Paulus den Christenmenschen in Thessalonich zu sagen hat, ist der Schluss seines ersten Briefes, vermutlich sogar des ältesten Briefes überhaupt, der uns von Paulus vorliegt. Thessalonich war in paulinischer Zeit Hauptstadt der römischen Provinz Mazedonien und damit auch Sitz des römischen Prokonsuls. Die Stadt lag infrastrukturell ziemlich zentral. Deshalb war sie in vielerlei Hinsicht strategisch wichtig. Sie war ein Hotspot des weltumspannenden Handels. Die berühmte „Via Egnatia“ führte durch den Hafen von Thessalonich und verband Rom mit dem Orient. Hier pulsierte das Leben mit allen Möglichkeiten, Facetten und Schatten. Prüfet alles und das Gute behaltet!
Die Jahreslosung 2025 klingt aktuell, aber irgendwie auch unvollständig. Ich brauche einen Maßstab, um das Gute identifizieren zu können. Das Gute vom Bösen zu unterscheiden – wie geht das? Wie kann das im Jahr 2025 gelingen? Die Bibel erzählt, dass sich die Menschheit von Anfang an damit schwer getan hat. Diese Erfahrung teile ich mit vielen Menschen meiner Zeit. Diese Jahreslosung verhilft mir zu einer ganz anderen Perspektive auf das neue Jahr 2025. Darin liegt eine neue Chance für uns als Kirche: Fragen wir doch gemeinsam danach, nach welchen Maßstäben wir das Gute vom Bösen unterscheiden wollen. Als Christenmenschen werden wir dazu die Bibel befragen, unseren Glauben reflektieren, ethische Normen diskutieren, unsere Lebenserfahrungen ins Gespräch bringen, uns unserer Hoffnung vergewissern, in der Stille, im Gebet göttliche Weisung erbitten, uns sammeln zum Feiern, gemeinsam lachen und weinen, das Leben miteinander teilen … und auf diesen Wegen das Böse meiden und das Gute mehren. Ob wir dieses Ziel jemals erreichen können? Aber selbst wenn das Gute auf Distanz bleibt wie ein Regenbogen, seine Schönheit bleibt aus der Ferne sichtbar. Das Leuchten des Regenbogens entfaltet seine Buntheit am Horizont. Aber die Hoffnung, die er weckt, die wird in mir geboren. Solche Hoffnung auf Zukunft wünsche ich uns als Kirche!
Gottes Segen möge uns im neuen Jahr viel Gutes bescheren!
Ihr
Oliver Günther,
Superintendent im Ev. Kirchenkreis Iserlohn
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